Wolfgang Herzer 2011 - Toni Scheubeck, Bildhauer und Zeichner

Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü

Wolfgang Herzer 2011

Texte

VON FREMDEN + VERTRAUTEN ORTEN
Annäherung an Landschaft
Kunstmuseum Erlangen
18. September bis 16. Oktober 2011
Künstler/Innen aus der Metropol-Region Nürnberg/
Sektion Oberpfalz


Mit den ausgestellten Oberpfälzern zeigen wir Künstler, deren Arbeit auch immer wieder zu einer Auseinandersetzung mit dem Thema der Landschafts und - Orts-Bezogenheit der Betreffenden selber führt. Die Landschafts- und-  Orts-Bezogenheit des Werkes und des Künstlers selber auf persönlicher und künstlerischer Ebene ist ein Moment, das bei einer umfassenden Betrachtung der hier präsentierten Positionen nicht ausgeschlossen werden kann.
Besonders bei einer Betrachtung unter dem Gesichtspunkt der Regionalität spielt das eine Rolle, weil hier die Werk-Betrachtung Aspekte berücksichtigen wird, die auf der Kriterien-Ebene des internationalen Kunst-Marktes in der Regel keine Rolle spielen können, wenn sie nicht ausdrücklich künstlerisch thematisiert sind.
Es handelt sich dabei um den existenziellen lebensweltlichen Gebrauchs-Wert-Kontext, in dem sich die Entstehung des Kunstwerks abspielt und in dem die Außen- und Alltagswelt, die Bewegung in Landschaft und Ort in Bezug auf die künstlerische Arbeit eine ähnliche Bedeutung haben dürfte wie der Mutterleib auf den Embryo und die Erde auf einen Wein. Dass in vielen Werken der Kunstgeschichte die Spuren selbst extremer Außenwelt-Bedingungen fehlen bzw zu fehlen scheinen, unter denen sie entstanden sind, will nicht sagen, dass die Außenwelt für die Entstehung eines Kunstwerks bedeutungslos ist, vielleicht gilt das Gegenteil. Dies herauszufinden bedarf es eine der Weinkennerschaft entsprechende Kunstkennerschaft und Hingabe-Fähigkeit an die Empfindung.
Toni Scheubeck. Sein Bezug zu Landschaft und Ort, in Scheubecks Fall die Stein-Pfalz ( das ist ein anderer Name für Oberpfalz) und der bayerische Wald, lässt sich unter dem Begriff des Fundortes festmachen.
Das Fund-Ort-Charakteristikum ist an den bildhauerischen Ergebnissen nicht unmittelbar festzustellen, ist aber insgesamt nachvollziehbar und prägt den Charakter der Arbeiten.
Das Spezifische am Fundort der Scheubeckschen-Art ist entfernt surrealistischer Provenienz und wird vom Typus des objet trouvee her verständlich.
Außerdem bekommt der Begriff des Fundortes in Verbindung mit der All-Örtlichkeit der Google-Maps hochaktuelle Relevanz.
Objet trouvees sind ungesuchte Fundsachen: Da betritt Mensch im Irgendwo einen geistigen Raum, eine mystische Zone im vollständig vermessenen Alltag, wo sich wunderlicher Weise das Subjekt-Objekt-Verhältnis umgedreht hat, das unbelebte, seelenlose Ding ist es nämlich, hier der Stein, das den Bildhauer findet, gesucht hat, der Stein, der gefunden werden musste, spricht den Bildhauer an, der Bildhauer folgt ihm, der Stein gehört zu ihm, er hat eine tragbare, dem antropologischen Maß entsprechende Größe, die dem Träger die Form eines Schwangeren gibt.
Was im Atelier geschieht, im Tempo organischen Wachstums und unter Berücksichtigung der Eigenform der Steine, die diese aus ihrem Naturschicksal erworben haben, das ist eine Art Befundung des Natur-Schönen im Trivialen, zb. in einem Stein unter Steinen, die aus dem Acker geklaubt woden sind, ein mittels Meißel und Hammer praktisch tätiges Wieder-Erinnern im erdgeschichtlich Vergessenen findet statt, das wie alle Wahrheit die Form einer Lichtung hat und im Spiel von Licht und Schatten immer nur fragmentarisch sein kann.

Toni Scheubeck lebt heute noch in Arnschwang, nahe Kötzting, lebt mit Familie im Elternhaus, dem ein Kolonialwaren-Laden angeschlossen war, und aus den alten dorfcharakteristischen Mauern kragt hervor wie ein aufgepfropfter Zweig vom Stamm der Moderne ein Werkstatt-Anbau a la  Frank Lloyd Wrights Wasserfall-Haus, alte Apfelbäume im Garten, und die Idee dazu ist gewachsen, Scheubeck ist Jahrgang 1948, die Idee ist gereift und dann wurde sie wahr; die Idee des Einklangs und der Verwachsenheit von Alt und Neu, von Natur und Kultur, die markant im Ortsbild Gestalt angenommen hat, ist auch Richtung gebend für das, was im Inneren der Werkstatt geschieht.
Kostproben liegen hier auf. Wir sehen gleich genauer hin.


Toni Scheubecks
Steine sind Ausdruck einer auf das Wesentliche konzentrierten Lebens-Einstellung und Haltung, die Lichtjahre entfernt von der Spaßgesellschaft liegen. Der langjährige Kurator des Chordonhauses/ Cham, der sich für die Sache der Kunst auch immer wieder öffentlich engagierte, arbeitet langsam, meditativ, meist ohne Maschine, mit der Hand, mit dem überlieferten Handwerkszeug, und das Skulpturieren selber, das Stein-Trennen vom Stein ist Teil des Gestaltungs-Vorganges.
Der beginnt schon damit, dass der Künstler sich nicht nur von aller Hektik und jeder äußeren Produktions-Zahlen- Gier befreit, wenn er ans Werk geht.
Das Beginnen beginnt noch tiefer, noch grundsätzlicher, im Vorbewußtlichen. Ans Werkgehen heißt zuerst tatsächlich gehrn, den Stein finden, draußen irgendwo im Freien, fast vorstellungslos, ihm ohne vorgefasste Vorstellung zu begegnen, dort, wo sich die Wege kreuzen, wo beide Wege verschmelzen, die der künstlerischen Biographie und die der Erdgeschichte.
Die Innen-Form der Begegnung und des Mitnehmens ist die der Annäherung, der Anverwandlung, nicht die der Bewältigung oder Überwältigung, Größe, Form und Gewicht des Steins müssen mit dem menschlichen Fass-und Trage-Vermögen harmonisieren.
Stein und Mensch sind für einander geschaffen, ein Drittes entsteht, jetzt im Atelier, das Stein-Trennen vom Stein ist Teil des Gestaltungs-Vorgangs, die Gestalten, die unter den Hieben und Schlägen zur Erscheinung kommen, haben dem Stein selber innegewohnt, es sind Strukturen der Welt+ Lebens+ Lebewesens+ letztendlich-Mensch-Werdungs-Prozesse, seit dem BIG BANG, es sind Finger- Abdrücke der Schöpfung.
Der Stein ist Wohnung, Haus, Ort einer erstarrten Idee, die zur Wärme strebt. In der Idee des Steins ankommen, eintreten, heißt bei sich ankommen.
Der Stein, der den Fundort bezeichnete, ist selber Ort, Ort, dadurch, dass er es ist, der dem Bildhauer die Form seiner Bewegungen verordnet, die Arbeit am Stein wird zum Lebensraum:
Adern, Einschlüsse, Gemenge, Schichten, Kavernen, Durchbrüche, Formen als Ausdruck erdinnerlicher und erdäußerlicher erdgeschichtlicher Kräfte-Verhältnisse zeigen dem Bildhauer den Weg. Die zur Gestalt führenden Verbindungen der Punkte ergeben sich nach der Logik der Sternbilder am nächtlichen Himmel.
Die Gestalt scheint auf, der Weg zu ihr, der das Große mit dem Kleinen, das Nichts mit dem Sein verbindet, vom Gesteinsbrocken, zum Splitter, zum Korn, zum Staubkorn führt, bleibt infinitesimale Annäherung, der Stein bleibt Stein, halberwachtes vorbewußtliches Leben, dessen Erinnerung wir bei unserem Eintreten werden.


Wolfgang Herzer/ Weiden 17.09.2011

Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü