Toni Scheubeck 2013 - Toni Scheubeck, Bildhauer und Zeichner

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Toni Scheubeck 2013

Texte

Rede anlässlich der Präsentation meiner Granitstele
vor dem Tagungszentrum in Furth im Wald
am 9.11.2013


Da steht sie nun in der Chambaue vor dem Tagungszentrum in Furth im Wald:
Die Granitstele, an der ich im Juli 2013 in Domazlice eine Woche lang gearbeitet habe. An diesem
Symposium waren fünf  weitere Bildhauerkollegen aus Tschechien, Bayern und Österreich beteiligt.
In die Idylle des Gartens hinter dem Augustinerkloster  war der Lärm von Motorsägen und Stein-
Bearbeitungsgerät eingezogen. Späne und Steinsplitter flogen, Staub lag in der Luft. Trotzdem
schaute mir täglich eine Amsel bei der Arbeit zu. Die Lautstärke störte sie offensichtlich nicht,
genauso wenig wie den seelenruhig im Gras lagernden Hund des Bildhauers Vojtech Mica.
Vaclav Fialas Tochter Rosa bemalte meine abgeschlagenen Granitsplitter, fertigte aus meinem
Abfall ihr eigenes kleines Kunstwerk und kochte sich ein Süppchen mit Zutaten wie Tannennadeln,
Gras und Blättern. Ihr Bruder Robert betrachtete das Symposiumsgelände als Abenteuerspielplatz.
Die Kinder wippten auf den gekrümmten Eichenresten, die die Holzbildhauer Tomas Tichy und
Michael Lauss zurückließen. Vaclav Fiala bediente neben der Arbeit an seiner eigenen großen
Steinskulptur den Gabelstapler, half schwere Steine zu kippen oder Eichenstämme anzuheben.
Wenn die Maschine mal zwischendurch den Geist aufgab, blieb er gelassen.  An den Feiertagen der
Slawenapostel Cyrill und Method besuchten uns auch die neugierig gewordenen Bürger von
Domazlice. Zu Mittag aßen wir auf der Terrasse des Restaurants neben dem Chodenmuseum.
Um die Ecke, auf dem Mauervorsprung hinter der Chodenburg, steht ebenfalls ein Stein, den ich
beim ersten Steinbildhauersymposium vor zwei Jahren gestaltet habe, genannt Chodenring. Gern
erinnere ich mich jetzt, nachdem der Herbst die gelb gefärbten Ahornblätter von den Bäumen
geweht hat, an die Sonnentage in Böhmen zurück, auch wenn nicht immer alles glatt lief. Der
Bildhauerkollege Herbert Lankl half mir, als gleich am ersten Tag meine Flex nicht mehr funktionierte
und ich heimfahren musste, um mir beim Ränkamer Steinmetz Adolf Mühlbauer Kohlestifte zu
besorgen. Herbert half mir auch, die schwere Steinstele, die ich auf Paletten lagernd bearbeitete,
immer wieder zu drehen, um zu sehen, wie die Bänder auf der Unterseite weiterliefen. Dabei
erinnerte ich mich an die einfache Definition von Karl Prantl, den österreichischen Vater der
europäischen Bildhauersymposien: Kunst ist Hilfe. Der schmale, 2 m lange Stein war sehr hart
und setzte meinen Eingriffen enge Grenzen. In seinem unteren Teil beließ ich die vom Abbau
stammenden Bruch- und Bohrspuren und rundete lediglich die Kanten. Nach oben hin schälte ich
zwei mäandernde Steinbänder heraus, die sich, im rechten Winkel zueinander versetzt, scheinbar
unlösbar ineinander  verschlingen. Mit einem Modell aus flexiblen Schaumstoffbändern hatte
ich mir eine Vorstellungshilfe geschaffen, ohne die ich diese im Ergebnis einfach wirkende Arbeit
nicht hätte realisieren können. Als mich Mgr. Kamil Jindrich, der das Symposium organisiert hatte,
nach dem Titel der Skulptur fragte, fiel mir spontan der Titel eines Klavierstücks von Leos Janacek
ein: „Auf verwachsenen Pfaden" . Die Mehrdeutigkeit dieses Titels beschreibt die Intention meiner
Arbeit ganz gut. Vor mir sehe ich einen mit Büschen zugewachsenen, sich dahinschlängelnden
Hohlweg, wie den, der zum Hügel Baldov, dem Ort der Hussitenschlacht von 1431 hinaufführt.
Ihn säumen bereits fünf Skulpturen meiner Bildhauerkollegen. Verwachsen kann auch eine
weitere Bedeutung haben: Untrennbar verbunden wie siamesische Zwillinge, sind die beiden
Bänder, die ich aus dem Granit geschlagen habe. Und noch eine dritte Bedeutung steckt in dem Wort
„verwachsen":  krumm, das Gegenteil von gerade. Auch  diese Bedeutung ist in meiner Skulptur
verbildlicht. Sinnbildlich mag diese auch für die miteinander verwobene Geschichte von Bayern
und Böhmen stehen.
Das Bildhauersymposium in Domazlice war, wie viele andere grenzüberschreitende künstlerische
Aktionen seit der Samtenen Revolution von 1990, ein Beispiel für das völkerverbindende Potential der Kunst,
das auch auf andere Lebensbereiche ausstrahlen sollte. Noch steht meine Stele allein
zwischen den Bäumen in den Chambauen. Vielleicht könnte die Stadt Furth im Wald nach dem
Vorbild von Domazlice selber ein Bildhauersymposium organisieren, bei dem deutsche und
tschechische Künstler weitere Skulpturen erarbeiten, die meiner Stele Gesellschaft leisten würden.
Auf diese Weise könnte auch ein Bezug zwischen dem schönen, hinter dem Tagungszentrum
verborgenen  japanischen Garten und dem mäandernden Flusslauf des Chamb hergestellt werden.
Vaclav Fiala hat mich zuletzt gefragt, ob ich für den Baldov-Hügel eine abgewandelte, vielleicht aus
anderem Material geschlagene Variante dieses Steins realisieren möchte, die eine geistige Verbindung
über die Grenze hinweg herstellen würde. Per e-mail hat er mir gleich eine Fotomontage
mitgeliefert, die meine noch nicht realisierte hochaufragende Stele im Vordergrund
und die Reihe der Bayerwald- und Sumava-Berge im Hintergrund zeigt. Ich werde mir im Winter
darüber Gedanken machen.

Toni  Scheubeck

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